Welpe, 9+ Wochen alt, seit einer Woche Stützbein-Unregelmässigkeit vorne-rechts.
Dieser Fall aus der Praxis wird von der Welt-Tierärzte-Organisation für Kinematisch kontrollierte Orthopädie, Neurologie und Rehabilitation präsentiert. Ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender ist Dr. med. vet. Patrick Blättler Monnier.
Ausgangsproblematik
Der kleine Welpe ist vor einer Woche bei der Familie eingezogen. Kurz vorher ist er von einer Züchterin aus dem Norden gekommen. Der Welpe war als Hündin für die Zucht bestimmt.
Tags darauf begann Sammy zu hinken. Die Besitzerin machte eine orthopädische Welpen-Sprechstunde bei uns aus.
Die Stützbein-Unregelmässigkeit vorne rechts ist gut zu erkennen. Die Zehenachse dort ist nach aussen gedreht, es gibt eine Zehenweitstellung. Ausserdem ist das Vorderfussgelenk angeschwollen. Die Achse der rechten Schultergliedmasse scheint schräg nach innen gedreht, ausserdem werden zwei Zehen fast auf einer Linie abgefusst. Die enge Stellung der Schultergliessmasse fällt ins Auge, ebenso der aufgezogenen Rücken und die sehr steile Stellung der Hinterhand.
Orthopädische funktionelle Untersuchung
Neben der gewinkelten Zehenachse und der Schwellung im Vorderfussgelenk fällt besonders auf, dass die Streckung der rechten Schulter deutlich vermindert ist. Der Welpe reagiert mit Abwehrhaltung auf die Untersuchung. Die linke Schulter liess sich normal bewegen. Eine Grünspan-Fraktur kann nicht ausgeschlossen werden.
Weiterführend wird deswegen ein Röntgenbild der Pfote gemacht sowie eine kinematische Untersuchung im Rahmen des LupoMove® Puppy-Programms.
Bildgebende Diagnostik
Beide Röntgenbilder der Pfote ergaben keine Auffälligkeiten. Eine Fraktur konnte ausgeschlossen werden, es kamen auch keine anderen strukturellen Veränderungen zu Tage.
Kinematik
Auffällig ist, dass die Standphase vorne-links bei 0,29 sec und vorne-rechts bei 0.14 sec liegt. Der Unterschied beträgt 100%.
Auch der Unterschied der Extension/Flexion zwischen rechts und links war beträchtlich, verursacht durch die Entlastungshaltung der rechten Gliedmasse und der Überlastung der linken.
Auffällig ist auch die flache „Average Step“-Kurve der linken Gliedmasse im Vergleich zu den Werten der anderen Glieder, ebenfalls Resultat der Überlastung.
Nach der Diagnostik wurde das Vorderfusswurzelgelenk sowie die Rotationsachse orthopädisch-manuell behandelt und danach kinematisch gemessen. Der direkte Unterschied lässt sich an den hellblauen Ergebnissen vor der Behandlung im Vergleich zu den dunkelblauen danach ablesen.
Die kinematische Beweglichkeit der Schulter konnte teilweise wieder hergestellt werden, jedoch nicht in dem erwünschten Ausmass.
Deswegen kamen die Befunde aus der Videoanalyse zum Tragen und wurden in die Behandlung miteinbezogen.
Bei der zweiten orthopädisch-manuellen Behandlung wurde die linke Schultergliedmasse manuell behandelt, ebenso die Hinterhand, also das Becken sowie beide Hinterläufe. Wieder erfolgte eine kinematische Kontrolle.
Dieses Mal war das Resultat zufriedenstellend.
Violett hinterlegt sind die Werte der dritten Messung zu sehen. Es zeigt sich, dass die Standphase vorne rechts deutlich zugenommen hat. Von ehemals 0,14 sek stieg sie auf 0,26, links liegt diese mit 0,28 nur ungleich höher. Der Gang des Welpen ist fast wieder symmetrisch. Auch die Extension/Flexion normalisierte sich, die durchschnittliche ROM glich sich aus. Gut zu sehen ist dies an der Entwicklung der „average step“-Kurve der linken Schultergliedmasse.
Fazit
Das akut scheinende Hinken der rechten Schultergliedmasse stand im direkten Zusammenhang mit der linken Schultergliedmasse sowie der Hinterhand. Beide Veränderungen sind halb-akut und hätten ohne die kinematische Untersuchung nicht auseinandergehalten werden können.
Das Hinken, dass man als Folge der Fehl- und Überbelastung der rechten Schultergliedmasse hätte deuten können, ist nur ein Teil des Problems. Nicht nur die rechte Schultergliedmasse, sondern auch eine orthopädische Fehlstellung in Becken und die linke Schultergliedmasse wirkten auf den Gang des Welpen ein.
Ohne die kinematische Behandlung und das LupoGait®-System wäre die Untersuchung nicht so effizient verlaufen; gerade dies stellt den Vorteil der orthopädisch-kinematisch kontrollierten Welpen-Sprechstunde dar.
Was könnte passieren? Die Prägung und Konditionierung der veränderten Bewegung sowie Schmerzprozesse
Dieser Patient ursprünglich wegen einer Stützbein-Unregelmässigkeit vorne rechts zu uns. Hinken ist in dem Alter von 10 Wochen leider keine Seltenheit – ohne die kinematische, differenzierte Diagnose wäre das veränderte Gangbild des Welpen, insbesondere die Fehl- und Überlastungshaltung, aber unerkannt geblieben.
Schnell können der Schmerzprozess und die veränderte Bewegung konditioniert werden.
Wir möchten erklären, was die Folgen ohne die Behandlung gewesen wären.
Jung-Hunde Erkrankungen wie Hüft- und Ellennbogendysplasie, Osteochondorse oder die Panostitis sind epigenetische Erkrankungen. Dies bedeutet, sie ergeben sich durch Gene, die durch Umweltfaktoren kodiert und exprimiert werden. Hier entstand die veränderte Bewegung des Welpen.
Die auslösenden Umweltfaktoren, die die Gene mobilisieren, sind keine Seltenheit.
Ein Grund mehr, Veränderungen im Gangbild direkt in einer professionellen, orthopädischen Welpensprechstunde zu präsentieren.
Hier bestimmen wir diese externen, auslösenden Umweltfaktoren, um sie zu minimieren. So stärken wir die Gesundheit der Welpen beziehungsweise stellen diese wieder her.
Doch es gibt noch andere Punkte, die bei solchen Gangbild-Veränderungen beachtet werden müssen. Diese sind dann vor allem die
- Prägung und Konditionierung des veränderten Gangbildes mit Folgen auf die Orthopädie
- Prägung und Konditionierung des Schmerzprozesses und somit das Verhalten
Vor allem der zweiten Punkt ist sehr wichtig, denn hier muss davon ausgegangen werden, dass gerade der psycho-soziale Anteil der Prägung beim Welpen stark und potenziell negativ beeinflusst werden kann. Der Schmerz ist ein Stressor für den Welpen; unserer Meinung nach einer der stärksten, der das Verhalten, aber auch die allgemeine Gesundheit oft stark beeinträchtigt.
Aus der Sicht des Verhaltens kann Schmerz die positive Interaktion zu anderen Hunden und Welpen, aber auch zum Besitzer oder fremden Personen erschweren. Die wichtigsten Verhaltens-Modalitäten sind Angst und Aggression, aber auch Zurückhaltung bis Apathie und Abgeschlagenheit kann die Folge sein. Ein Welpe verliert seine offene und witzige Art zu entdecken und zu untersuchen. Er ist weniger unbeschwert. Er kann sich zurückziehen, reserviert wirken.
Der Stressor „Schmerz“ hat aber auch Einfluss auf die allgemeine Gesundheit, die Abwehrkraft, das Immunsystem. Gestresste Hunde, und solche die Schmerzen haben, erkranken signifikant schneller. Parasitosen finden öfter statt.
Ein gutes Beispiel sind Giardien: Diese Bakterien sind nur fakultativ pathogen. Gesunde Welpen erkranken daran nicht. Gestresste Hunde haben oft einen langwierigen Durchfall, sind öfter therapieresistent.
Als letzten Punkt möchten wir auf die kognitive Lernfähigkeit hinweisen. Ein Welpe mit Schmerzen lernt generell langsamer und nimmt neue Aktivitäten weniger schnell auf.
Der Welpe kann sich aber auch generell verschlossen zeigen, oder er reagiert mit Verhalten ähnlich der Reizüberflutung. Diese psycho-sozialen Verhaltensweisen sollten immer auch auf Schmerzen als Ursache untersucht werden. Diese Verhaltensweisen beeinflussen stark die Prägung, Konditionierung und Lernkurve des Welpen und Jung-Hundes.
Unerwünschte Prägung der Bewegung
Das veränderte Gangbild hat aber auch einen starken Einfluss auf die allgemeine Bewegung, die Balancierung und somit auch auf Statik und Dynamik, sprich: die Biologie der Orthopädie.
Die Bewegung wird zuerst in der Peripherie am Knochen, Gelenk und der Muskulatur kontrolliert und geregelt. Hier finden wir die Muskel- und Gelenk-Rezeptoren. Die dort entstehenden Informationen werden via Rückenmark und Hirnstamm zentral weitergeleitet. Im Mittelhirn und Kleinhirn werden dies Daten verarbeitet, bevor sie ins Grosshirn transportiert werden. Hier wird die Bewegung bewusst koordiniert und beantwortet. Diese Informationen werden dann via Daten-Highway wieder in die Peripherie geleitet und münden in der Aktion.
Wenn wir beim Welpen in der 10. Lebenswoche solche Störungen aufweisen, ohne sie zielgerichtet zu behandeln, legen wir damit die Grundlage für Passgang, Bewegungsanomalien sowie Schmerzen. Weder Tierärzte noch Hundebesitzer sind sich dieser Tatsache ausreichend bewusst. Nur mit der Bewegungs-Diagnostik, im Speziellen mit LupoGait®, aufgezeigt werden.
Um diesen Pathologien entgegenzuwirken, ist ein professionelle, ortho-kinematische Welpensprechstunde wie im Rahmen von LupoMove® Puppy die einzige Variante, Störungen frühzeitig zu behandeln und die dargestellten Folgeschäden zu verhindern.
Schauen Sie sich den Fall von Sammy auch als Video an: